Baden-Württembergische Holzbau-Offensive zeigt Wirkung

Dies wird nicht nur beim Holzbau und beim Holzhandwerk deutlich, auch bei der diesjährigen Tannentagung in Ostfildern war der Tagungsraum bis auf den letzten Stuhl besetzt. So konnte MDL Karl Rombach als Vorstandsvorsitzender des Forums Weißtanne einen Rekordbesuch bei der diesjährigen Tannentagung am 13.11.2019 beim baden-württembergischen Holzbauzentrum in Ostfildern begrüßen.

Es waren vor allem Architekten, Bauplaner und Holzbauer, die der Einladung des Forums nach Ostfildern gefolgt waren. Sicherlich waren auch die beiden renommierten Referenten, der Schweizer Dipl. Holzbau-Ingenieur Pirmin Jung und der schwäbischer Holzbauunternehmer Reinhold Müller ein Magnet für die Teilnehmer aus der Holzbauwirtschaft.

Wachsen die Holzhäuser in den Himmel?

Schon mit seinem ersten futuristischen Bild eines 350 Meter hohen Holzbaus aus Japan ließ Pirmin Jung bei den Zuhörern die Frage aufkommen: „Wie hoch denn noch? Wächst der Holzbau gar in den Himmel?“ Tatsächlich plant derzeit das japanische Forstunternehmen Sumitomo Forestry in Tokio anlässlich seines 350. Geburtstags ein 350 Meter hohes Holzhochhaus. Der Bau soll zu 90 Prozent aus nachwachsendem Material bestehen. Das Gebäude soll erst 2041 fertig gestellt werden. Pirmin Jung ist überzeugt, dass das gelingt. „Eigentlich aus heutiger Sicht undenkbar. Aber wer hätte vor 10 oder 15 Jahren gedacht, dass wir mehrstöckige Holzhäuser bauen und in Wien derzeit ein 84 Meter hohes Holzhochhaus mit 24 Geschossen bezogen wird?“

Pirmin Jung zeigte an ausgesuchten, praktischen Beispielen die technische Entwicklung des Holzbaus in den vergangenen Jahrzehnten. Dass Holzbau nicht nur in der Schweiz zur Selbstverständlichkeit wurde, führt er auf zwei Hauptfaktoren zurück:
Erstens, die frühe und intensive Zusammenarbeit von Architekt und Holzbauingenieur und, zweitens, die holzingenieur-technische Fortentwicklung bei der Statik des Holzbaus. Am besten unsichtbar, mit reduzierten Stützen und trotzdem gegen Erdbeben und Wind stabil, so sieht Jung die technische Herausforderung für den weiteren Erfolg von Holzhochhäusern.

Der hohe Vorfertigungsgrad und der damit verbundene schnelle Baufortschritt beim heutigen Holzbau machten die Holzverwendung beim Bauherrn neben den ökologischen Vorteilen auch bautechnisch attraktiv. Zudem seien beim früher oft bauhinderlichen Thema Brandschutz große bürokratische Hindernisse weitgehend abgebaut worden.

Auch bei der holzbauintern oft gestellten Frage, Holzrahmenbau oder Brettsperrholz sieht Jung keinen Widerspruch. Beide Techniken könnten sich gut ergänzen. So sei es z.B. Ziel, bei Hochhauskonstruktionen den bisherigen Betonkern durch einen Brettsperrholzkern zu ersetzen. Oft genannte Mehrkosten des Holzbaus gegenüber konventioneller Bauweise seien kein Bremsfaktor mehr beim Holzbau. Wenn überhaupt, so lägen die Mehrkosten beim Holzbau bei max. zwei bis vier Prozent. Dafür bekomme man aber auch einen entsprechenden atmosphärischen und ökologischen Mehrwert.

Bauen mit Weißtanne – Berichte aus der Praxis

Es folgten zwei Erfahrungsberichte zur Weißtannenverwendung aus der Praxis.

Zunächst berichtet aus Reinhold Müller aus Blaustein über viele gelungen Beispiele mit verbauter Weißtanne. Den gelungenen Innenausbau des komplett mit Weißtanne ausgestatteten Tagungsgebäudes in Ostfildern konnten die Teilnehmer hautnah spüren. „Man muss als Holzbauer auch das Vorbild leben.“ betonte Müller und zeigte die gelungene Tannenverwendung im Verwaltungsgebäude seines 100-Mann/Frau-starken Betriebes bei Ulm.

Aktuell erstellt das Unternehmen die neue Polizei-Hochschule in Villingen-Schwenningen in Holzmodulbauweise aus Weißtannen-Brettsperrholz mit hohem Vorfertigungsgrad. Insgesamt werden 120 im Werk gefertigte Module benötigt. Täglich werden sechs Module auf die Baustellen angeliefert. Im Grunde genommen bedeutet dies, dass der Holzrohbau in 20 bis 30 Tagen erstellt ist.

Interessant ist auch ein tolles Vorzeigeprojekt bei der Kirche St. Martha in Nürnberg. Dort hat man nach einem Brand das Dach, die Decken und Wände mit heimischer Weißtanne erstellt. Die Vertäfelung mit heller Weißtanne gibt der Kirche eine außergewöhnliche Atmosphäre.

Auch Architekt Andreas Ocker von den kaestle & ocker Architekten aus Stuttgart konnte von gelungen Praxisbeispielen berichten. Besonders interessant ist die Motivation zur Weißtanne bei einer Aussegnungshalle bei Heidenheim. Der Anspruch der Auftrag gebenden Kommune war, Würde in die alten Räumlichkeiten zu bringen. Dies ist durch die Einbringung von Licht und heller Weißtanne an Decken und Wänden und auch bei den Bänken hervorragend gelungen. Die präzise und individuelle Schreinerarbeit verleiht dem Innenraum die gewünschte Ruhe und Würde.

„Die Tanne muss raus aus der Massensortimentsbestrafung!“

So das Fazit von Kurt Weber, Vorstand und Geschäftsführer der Waldservice Ortenau eG (WSO), einer Dienstleistungsgenossenschaft für den Kommunal- und Privatwald mit über 40.000 ha Mitgliedsfläche. Die WSO verkauft im Jahr rund 300.000 Fm Rundholz, davon 80.000 Fm Weißtanne.

Bei seinen Ausführungen betonte Kurt Weber, dass man das Preisgefüge der letzten beiden Jahre nicht als Maßstab nehmen dürfe, sonst könnte man die Waldwirtschaft gleich einstellen. Bei Durchschnittserlösen über alle Sortimente von rund 60 Euro/Fm bei der Fichte und rund 50 Euro/Fm bei der Tanne bedürfe es einer hohen Motivation und Verantwortung für die Waldbesitzer, nicht aufzugeben. Trotz Klimawandels sieht er die Zukunftsaussichten angesichts des langfristigen Rundholzbedarfs für den Waldbesitz positiv. Deswegen dürfe im Wald die Holzproduktion nicht nachlassen.

Als positive Erkenntnis sieht Weber bei den derzeitigen Kalamitätspreisen die Entwicklung bei der Douglasie. Auch in 2019 konnte die Douglasie ihren guten Preis als eigenständige und gesuchte Baumart halten, wie das unten gezeigte Schaubild zeigt.

Wenn die Weißtanne als eigenständige Baumart behandelt würde, so wie es das Forum seit langem fordert, bestünde die Chance, dass die Weißtanne nicht mehr in den europaweiten Preis-Sog der Fichte geraten würde, so Kurt Weber. In der Tat wird die Tanne nach wie vor sowohl auf dem Holzmarkt, als auch auf dem Bausektor als Koppelprodukt bei Fichte/Tanne gesehen. Obwohl die Tanne derzeit auch Probleme bei den Kalamitäten hat, sind die Tannen-Schadholzmengen relativ und vor allem absolut deutlich geringer.

Kurt Weber, gleichzeitig Geschäftsführer des Forums Weißtanne e.V. fordert daher, die gesamte Verarbeitungskette nicht mehr als Fi/Ta, sondern die Tanne als eigenständige Holzart zu verstehen.

Zwei Forderungen stellte Kurt Weber an den Schluss seines Vortrages: Erstens: „Die Tanne müsse raus aus der Massensortimentsbestrafung mit der Fichte.“. Zweitens: „Die Holzbauoffensive müsse auch finanziell bei den Waldbesitzern ankommen.“

Zur Zukunft von Regionallabels

Bewusst provozierend und als Impuls gedacht ging das langjährigen Vorstands- und Gründungsmitglied Ewald Elsäßer auf die zunehmenden Holzferntransporte ein. Es sei verkehrstechnisch, aber auch aus ökologischer Sicht Unsinn, dass Holz oft vom Wald durch halb Mitteleuropa und darüber hinaus gefahren wird, bis es auf der Baustelle ankommt. Vor allem die zunehmend notwendigen modernen Holzprodukte wie Brettsperrholz und Brettschichtholz würden außerhalb von Baden-Württemberg hergestellt. Es räche sich, dass die technische Innovation bei der baden-Württembergischen Sägeindustrie zurückgeblieben ist. Die Holzferntransporte würden sich negativ auf den ökologischen Fußabdruck beim Holz auswirken. Dies habe gerade in Zeiten von CO²- und Klima-Diskussionen mittel- und langfristig negative Auswirkungen auf die Holzverwendung. Dies müsse verhindert werden.

Elsäßer zeigte am Beispiel von PEFC-Möglichkeiten, dass Regionallabels ohne neue aufwändige Zertifizierungen möglich sind. Grundsätzlich sollte das Ziel sein, dass der Waldbesitzer wie bei den Lebensmitteln auch frägt, wo denn sein Bauholz her kommt. Gerade für die in Baden-Württemberg und seinen angrenzenden Regionen (Allgäu, Vorarlberg, Schweiz, Elsass) vorkommende Weißtanne sei dies wichtig, um sich von der europäischen Allerweltsbaumart Fichte zu unterscheiden. 

Kein Wettbewerb zwischen Holz und regionalem Holz

So könnte man das Fazit der abschließenden intensiven Podiumsdiskussion mit allen Referenten ziehen. Die Podiumsdiskussion wurde wie die ganze Tagung sehr konstruktiv und zielorientiert von Prof. Bertil Burian von der Forstlichen Hochschule Rottenburg moderiert.

Die provozierende Forderung von Elsäßer nach Regionallabels zeigte Wirkung. Sowohl im Referenten- als auch im Zuhörerkreis war man sich über das richtige Vorgehen bei der Einrichtung von Regionallabels nicht einig. Es bestand die Angst, dass Regionallabels der aufblühenden Holzbauoffensive schaden könnten. „Man dürfe durch zu starkes Kirchturmdenken das aufblühende Pflänzchen Holzverwendung nicht gefährden“, war die eine Sicht, die andere Sicht sah die ökologischen Vorteile des Holzes durch unnötige Ferntransporte gefährdet.

Einhellig der Meinung war man aber, dass die Steigerung Holzverwendung grundsätzlich das wichtigste gemeinsame Ziel sei. Die regionale Verwendung und damit die Wertschöpfung in der Region sei aber ein Thema, an dem dringend gearbeitet werden müsse. Ein holzverwendungsschädlicher Wettbewerb müsse dabei vermieden werden. Fürwahr – kein leichter Spagat! Wichtig sei es, dass die regionale Forstwirtschaft mit ihren vielen Waldbesitzern und ihren regionalen Holzprodukten ein wichtiger Fürsprech- und Werbefaktor für die Holzverwendung bleibe.

Nachdenklich wurden die Zuhörer bei der Forderung eines maßgeblichen Vertreters der Holzwirtschaft, dem Waldbesitz auch in der derzeitigen Krisensituation die nötigen Rundholzpreise zukommen zu lassen. Es gelte, die Waldbesitzer „bei Laune zu halten“ und die Holzvorräte nachhaltig zu sichern. Dies sei mit den derzeitigen Kalamitätsholzpreisen kaum möglich. Die Waldbesitzer erhielten von den Sägewerken quasi „Schandpreise“, die Schnittholzpreise seien dagegen kaum zurückgegangen.

Wichtiges von der Mitgliederversammlung

Die der Tagung vorangestellte Mitgliederversammlung konnte von einer rührigen Geschäftstätigkeit des Forums im vergangenen Jahr berichten. Die Mitglieder waren mit den Aktivitäten des Vereines zufrieden. Auch die Mitgliederzahl ist gestiegen.

Eine zentrale Forderung von Vorstandsmitglied Dr. Udo Sauter, die Wirtschaftlichkeit des Waldes und die Holzproduktion bei der Waldwirtschaft wieder stärker in den forstpolitischen Vordergrund zu rücken, stieß auf großen Beifall. Auch Ewald Elsäßer erinnerte daran, dass Carl von Carlowitz die Nachhaltigkeit vor allem wegen den Mangels an Rundholz und nicht wegen Waldmangels erfunden habe. Dem Bergbauingenieur war das Grubenholz für seinen Bergbau ausgegangen. Es gab seinerzeit genügend unproduktive Waldflächen aus Birke, Haselnuss und niederwüchsigem Laubholz, so wie es derzeit von manchen Ökoprotagonisten gefordert werde, mahnte Elsäßer abschließend.